Wir schreiben das Jahr 2010: In der Politik und in der Öffentlichkeit wird über den Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) diskutiert.
Nach Plänen von Lobbyisten (die interessanterweise in der Erotikbranche unterwegs sind) und einiger Bundesländer sollen Alterskennzeichnungen, nach dem Muster der Alterskennzeichnung im Fernsehen (Eigentlich sind diese Altershinweise vor Sendungen lächerlich, denn wer schaltet unter 16 bzw. 18 Jahren wirklich ab?!?), auf Webseiten eingeführt werden. Eltern sollten dann Jugendschutzfiltersoftware auf die Rechner installieren, die entsprechende Alterskennzeichnungen auslesen und die Seiten automatisch anzeigen bzw. einen Aufruf unterbinden sollen.
Warum gerade Lobbyisten aus der Erotikbranche ein großes Interesse an so einem System haben ist klar, denn bislang dürfen freie Hardcore-Angebote erst in den späten Abendstunden erreichbar sein, mit dem maschinengestützten Alterssystem könnten sie Rund um die Uhr ihre Onlineangebote anbieten und damit Geld verdienen. Aber es ist nicht nur die Erotikbranche die hier Geld verdienen möchte, sondern auch andere Medienunternehmen wollen einen Stück vom Kuchen abhaben – Beim Senden von FSK 16/ FSK18-Programminhalten per Livestream, mit Werbeunterbrechungen.
In den Parlamentsanhörungen wurde schnell deutlich, dass die vorgeschlagenen Altersklassifizierungen in der Praxis von Bloggern und privaten Webseitenbetreibern kaum umsetzbar waren. Private Webseiten und Blogs würden gegen geltendes Recht verstoßen, wenn sie keine Klassifizierung vornähmen und sich damit der Gefahr von Abmahnungen aussetzen würden.
Um dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen würden die Seitenbetreiber per se ihre Webseite “ab 18″ klassifizieren (auch wenn sie harmloses Material auf ihrer Seite haben bzw. aufgrund von Zeitmangel nicht jeden Eintrag im Forum/Blog kontrollieren können/wollen) und damit einen großen User-Anteil ausschließen.
Nach einem langen Diskussionsprozess, in dem sich auch die Jusos in NRW tatkräftig eingebracht haben, scheiterte die Novellierung des Staatsvertrages am Nein einiger Bundesländern – u.a. an NRW.
Vier Jahre später steht der Staatsvertrag wieder auf der Tagesordnung. Unter der Führung der sächsischen Landesregierung soll ein neuer Entwurf für eine Novellierung des Staatsvertrages erarbeitet werden.
Gegenüber dem ersten Anlauf scheint man in einen Punkt gelernt zu haben, denn während beim ersten Versuch die Öffentlichkeit nicht eingebunden wurde, können sich jetzt interessierte Bürgerinnen und Bürger per Onlineverfahren am Erarbeitungsprozess beteiligen. Finde ich gut und richtig.
Aber wenn man sich den Entwurf anschaut, dann könnte man meinen “Und täglich grüßt das Murmeltier”, denn plötzlich werden wieder die Vorschläge für eine maschinenlesbare Alterskennzeichnung aus der Schublade geholt. Man scheint hier aus der berechtigten Kritik an diesem System nichts gelernt zu haben. Wieder wird die Freiwilligkeit propagiert, aber über die Hintertür eine Pflicht-Zensurinfrastruktur aufgebaut.
Ja es gibt im Internet genug Seiten mit jugendgefährdenden Inhalten und es muss was getan werden, aber eine Zensurinfrastruktur ist nicht die Lösung des Problems. Sondern man muss weiter auf die Förderung der Medienkompetenz bei den Kindern und Jugendlichen setzen und hier gibt es noch sehr viel zu tun.
Die Bundesregierung und der Bundestag haben sich die Digitale Agenda auf die Fahne geschrieben und wollen Deutschland in diesem Gebiet nach vorne bringen. Diesen Prozess sollten sich auch die Länder stellen und sich hier einbringen, anstatt mit einen Instrumentenkoffer aus dem letzten Jahrtausend das “Globale Dorf” Internet regulieren zu wollen.
Also packen wir es an und machen den Bundesländern Feuer unterm Hintern, damit dieser Klassifizierungsmumpitz wieder in der “Ablage P” landet!