Donnerstag, 31. Juli 2008

Die Begründung der LSK der NRWSPD

Noch schnell nachgeschoben, die Begründung der Schiedskommission der NRWSPD im Wortlaut:

Der Antragsgegner (Wolfgang Clement) hat der Partei durch die öffentliche Aufforderung, die SPD und ihre Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Hessen nicht zu wählen, schweren politischen Schaden zugefügt.

Nicht erforderlich dafür ist auch nach ständiger Spruchpraxis der Bundesschiedskommission, dass seine öffentlichen Äußerungen zu einer konkret messbaren Einbuße an Wählerstimmen für die Partei geführt haben. Der Nachweis eines solchen Kausalzusammenhangs ist in der Regel - so auch hier - ohnehin nicht zu führen. Der schwere politische Schaden liegt vielmehr darin, dass der Antragsgegner durch sein Verhalten mit dem ihm in der Öffentlichkeit aufgrund seiner früheren politischen Funktionen noch beigemessenen Gewicht entscheidend dazu beigetragen hat, dass in der Schlussphase des hessischen Wahlkampfes und danach und mit Blick auf die Breitenwirkung in den Medien bundesweit das Bild von einer zerstrittenen Partei vermittelt worden ist.

Er hat in der heißen Phase des Wahlkampfs mit dem öffentlichen Angriff auf die Wählbarkeit der SPD-Spitzenkandidatin und der Partei die Grundlage des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Zustimmungsfähigkeit der Partei und ihrer Kandidatin in Frage gestellt und hierdurch Ansehen und Glaubwürdigkeit der Partei nachhaltig geschädigt. Der Antragsgegner hat auch den Parteifrieden erheblich gestört. Denn belastend für die Partei war auch die Aufregung in der Partei über seine 'Hessenwahl-Äußerung' und der Unmut bei den Wahlkämpfern in Hessen.

Die Voraussetzungen für den Ausschluss aus der Partei (...) sind danach erfüllt. Diese Sanktion gegen den Antragsgegner ist nach Überzeugung der Schiedskommission unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt und geboten. Ausgangspunkt der Erwägungen dazu (...) ist, dass der Antragsgegner einen besonders schweren Solidaritätsverstoß begangen hat, der wie vorstehend ausgeführt (...) mit der Mitgliedschaft in der SPD unvereinbar ist, also grundsätzlich zum Ausschluss aus der Partei führt.

Ein Parteimitglied, das öffentlich zumal im Wahlkampf eine(n) Spitzenkandidatin(en) der eigenen Partei als nicht wählbar hinstellt und dazu auffordert, die SPD nicht zu wählen, stellt sich außerhalb der Partei.

Vollzieht es dies nicht selbst nach, kann die Partei den Verstoß nicht ohne spürbare Sanktion lassen. Sie kann den Verstoß wegen der Wirkung eines solchen Verhaltens innerhalb der Partei und der schädlichen Wirkung nach außen nicht hinnehmen, muss sich vielmehr davon mit dem gebotenen Nachdruck distanzieren. Diese durch das Organisationsstatut vorgegebenen und in der Spruchpraxis der Bundes- und der Landesschiedskommission leitenden Maßstäbe sind auch beim Antragsgegner anzulegen.

Die Landesschiedskommission hat zugunsten des Antragsgegners erwogen, ob besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, von einem Ausschluss des Antragsgegners aus der Partei abzusehen. Sie hat hierbei berücksichtigt, dass der Antragsgegner ein langjähriges engagiertes Parteimitglied ist, der in der Partei hervorgehobene Funktionen und Verantwortung übernommen hat. Er hat lange Jahre in Nordrhein-Westfalen und auf Bundesebene für die Partei erfolgreich politisch gearbeitet und sich große Verdienste erworben. Auch vor diesem Hintergrund könnte es die Partei hinnehmen, dass er nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik auf verschiedenen Politikfeldern von der Parteilinie abweichende Positionen auch hartnäckig vertritt. Nicht hinnehmen kann die Partei aber die hier zu beurteilende gezielte Schädigung und den schweren Verstoß gegen die für die Mitglieder als zentraler Wert geltende innerparteiliche Solidarität.

Die Verdienste des Antragsgegners für die Partei lassen es nach Überzeugung der Schiedskommission nicht zu, hier ausnahmsweise vom Parteiausschluss abzusehen.

Sie hält es zum Schutz der künftigen politischen Arbeit gemäß der demokratischen Willensbildung für geboten, dass sich die Partei vom Antragsgegner trennt. Es gilt zu verhindern, dass der Antragsgegner in künftigen Wahlkämpfen oder grundlegenden Entscheidungsprozessen öffentlichkeitswirksam etwa in seiner publizistischen Tätigkeit - als Mitglied der Partei - die SPD und/oder ihre gewählten Funktionsträger, die Programme und Beschlüsse umzusetzen berufen sind, massiv angreift und als nicht wählbar hinstellt, weil er aus dem demokratischen Willensbildungsprozess der Partei hervorgegangene politische Ziele und Positionen strikt ablehnt und seine eigenen Positionen über das Interesse der Partei stellt.

Die Landesschiedskommission schätzt das Risiko, dass es zukünftig zu vergleichbaren Angriffen auf die Wählbarkeit der SPD kommt, als hoch ein. Sie stützt sich auf die eigenen Äußerungen des Antragsgegners. So hat er in dem ARD-Interview vom 23. Januar 2008 auf die Frage, was ihn in 'dieser' SPD halte, geäußert, er glaube, er sei in der SPD 'einen ganz geraden Weg gegangen bis heute, und den werde er auch weiter gehen'. In seiner schriftlichen Berufungsbegründung hat er angeführt, er habe dazu beigetragen und werde auch künftig im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten - und das seien heute eben publizistische Möglichkeiten - dazu beitragen, dass gerade vor Wahlen ausgesprochen und notfalls auch streitig ausgetragen werde, was für Wählerinnen und Wähler wichtig sei zu wissen.

Auf den Einwand, als Kronzeuge benutzt zu werden: das sei ihm völlig egal; es gebe aus seiner Sicht keinen besseren und wichtigeren Zeitpunkt, als sich vor Wahlen zu äußern. Angesichts dessen und des Umstands, dass der Antragsgegner sich auch in der mündlichen Verhandlung vor der Landesschiedskommission hinsichtlich des schweren Solidaritätsverstoßes nicht einsichtig gezeigt hat, geht die Kommission davon aus, dass sich der Antragsgegner - über zulässige solidarische Kritik hinaus - von öffentlichen parteischädigenden Angriffen auf die Wählbarkeit der Partei und ihrer Kandidaten nicht abhalten lässt, wenn er es aus für sich selbst definierten Gründen für angebracht hält.

Diese Gefahr entscheidend zu mindern, hat der Antragsgegner selbst versäumt, indem er es abgelehnt hat, auf den in der mündlichen Verhandlung erörterten Vorschlag für eine gütliche Beilegung näher einzugehen, der das einvernehmliche Bestehenlassen der Rüge und zusätzlich eine Anerkenntnis- und Good-will-Erklärung des Antragsgegners zum Gegenstand hatte.

Nachdem die Antragsteller nach vorangegangener Ablehnung ihrerseits den Vergleichsvorschlag aufgegriffen und erklärt haben, mit der gütlichen Beilegung einverstanden zu sein, wenn der Antragsgegner zu Protokoll erkläre, dass er vergleichbare Erklärungen in der Öffentlichkeit unterlassen werde, hat dieser erklärt, den Vorschlag nicht zu akzeptieren. Auch angesichts dieser kompromisslosen Weigerung kann es die Landesschiedskommission nicht verantworten, von einem Parteiausschluss abzusehen.

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